Retikulozyten-Bestimmung

Die hochpräzise automatisierte Analyse der Retikulozyten ist wie ein „Fenster ins Knochenmark“. Sie ermöglicht Aussagen über die Funktionsfähigkeit der Blutbildung. Ab sofort bestimmen wir bei Anforderung der Retikulozyten eine Vielzahl neuer Parameter und Indices, wodurch die Differenzialdiagnostik der Änämie unterstützt wird. Für die Abrechnung im Rahmen der Bestimmung eines kleinen oder großen Blutbildes fällt keine weitere EBM-Ziffer an.

Retikulozyten sind Erythrozyten, die aus Erythroblasten durch Ausstoßung des Zellkerns entstehen und noch RNA enthalten1, 2. Bis zu den 1990er Jahren war es üblich, die Retikulozyten basierend aufgrund der Erkennung der mikroskopisch sichtbaren Netzstruktur an RNA und Proteinen zu zählen. Die manuelle Zählung hat offensichtliche Quellen der Ungenauigkeit und ist sehr zeitaufwendig3. Eine automatisierte Analyse der Retikulozyten ist heutzutage wegen hoher Präzision und Reproduzierbarkeit weit verbreitet. Im Gegensatz zu der mikroskopischen Zählung von 1.000 Erythrozyten mit einem Variationskoeffizient von 20-40% wird er durch automatisierte Analyse von mehr als 10.000 Retikulozyten auf bis zu 0,2% gesenkt.

 

Die Fluoreszenz-Durchflusszytometrie wird verwendet, um die physiologischen und strukturellen Eigenschaften von Zellen zu analysieren, während sie durch eine schmale Flusszelle fließen.

Im Retikulozytenkanal des Blutbildautomaten werden die Erythrozyten mit dem Fluoreszenzfarbstoff Polymethin markiert, der an Nukleinsäuren bindet. Danach wird die Probe zur Durchflusszelle geleitet. Hier wird die Probe mit dem Strahl eines Lasers beleuchtet, welcher die Zellen durch verschiedene Signale unterscheiden kann, von denen jedes individuelle Rückschlüsse erlaubt: Vorwärtsstreulicht (Zellvolumen), Seitwärts-Fluoreszenzlicht (Nukleinsäuremenge) und Seitwärts-Streulicht (Granularität).

 

Für die Unterscheidung der Retikulozyten von den Erythrozyten werden die Werte des Vorwärtsstreulichts und des Seitwärts-Fluoreszenzlichts jeder Zelle auf einem sogenannten Scattergramm graphisch dargestellt. Jeder Punkt des Scattergramms entspricht einer Zelle. Da die Retikulozyten (pink) eine weitaus höhere Nukleinsäuremenge enthalten, werden sie weiter rechts auf dem Scattergramm angefunden als die Erythrozyten (blau). Von den Retikulozyten weisen die unreifen Formen (rot) die höchste Nukleinsäuremenge auf. Ihr Anteil wird prozentual berechnet.

 

INDIKATIONEN ZUR RETIKULOZYTENZÄHLUNG

  • Basisdiagnostik bei Anämien zur Beurteilung der Regenerationsfähigkeit der Erythropoese
  • Kontrolle des Therapieansprechens bei Eisen-, Vitamin B12– und Folsäuremangelanämie
  • Kontrolle der Effektivität der Erythropoetintherapie

Literatur

  • Seip 1953 Acta Med Scand

  • Houwen 1992 Blood Cells

  • Buttarello 2004 Am J Clin Pathol

Alle Abbildungen mit Genehmigung, Sysmex Deutschland GmbH, modifiziert nach Dr. med. C. Helmschrodt